Jawohl, ihr lest richtig. Im kleinen Schwäbisch Hall verläuft doch tatsächlich ein Jakobsweg. Als ich das erfahren habe (zufällig ist das ja auch mein Wohn- und Arbeitsort) war mir klar: das muss ich mal ausprobieren.
Sicher kennen viele von euch das Buch „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling. Auch ich habe dieses verschlungen bzw. das Hörbuch gehört. 2x. Was dort geschildert wurde, machte mir richtig Lust, auch mal so etwas erleben zu wollen. Da man nun nicht mal eben so nach Spanien kommt, war es einfacher, das direkt vor der Haustür auszuprobieren. Ich hatte es mir fest vorgenommen für diese Woche, da ich Urlaub hatte.
Die Tagesetappe ginge von Schwäbisch Hall nach Murrhardt, was allerdings eine stattliche Strecke von 25,5 km gewesen wäre. Als blutige Wanderanfängerin (ich mochte das früher als Kind so gar nicht), habe ich demnach beschlossen, mir lieber erstmal kleinere Ziele zu stecken und das auf ca. halber Strecke liegende Örtchen Obermühle anzupeilen. Ausgerüstet mit einem extra dafür angeschafften kleinen Wanderrucksack gefüllt mit ausreichend Verpflegung, zwei Kameras, einer Streckenkarte und der Busverbindung für den Rückweg aus Obermühle ging es dann am Donnerstag Morgen los. Eigentlich wollte ich schon Mittwoch starten, allerdings machte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung und es regnete fast den ganzen Tag (das sollte sich auch am Donnerstag noch bemerkbar machen, mehr dazu gleich).
Also ging es gegen 10 Uhr los. Den Anfang der offiziellen Strecke – die Kirche in Schwäbisch Hall – ließ ich aus, da ich fast direkt da wohne, wo der Jakobsweg verläuft und nicht extra in die Stadt runter wollte, nur um dann wieder hochlaufen zu müssen. Das Wetter war in Ordnung, leicht schwül, aber nicht zu heiß und im Großen und Ganzen angenehm. So fiel das mit dem Wandern überraschend leicht, es gab kaum größere Steigungen und alles lief problemlos.
Ich durchquerte gerade am Anfang noch Gegenden, die ich bereits kannte, da ich wie gesagt dort wohne, manches war mir neu. So manchen Weg war ich zuvor bereits gegangen bzw. entlang gejoggt, als ich mal neue Strecken ausprobieren wollte. Nur war ich damals extra mit dem Auto ein Stück gefahren. Jetzt trottete ich also gemütlich vor mich hin, genoss die Landschaft und ließ meine Gedanken schweifen. Sofern das möglich war, denn in der ersten Hälfte lagen mehrere Ortschaften auf dem Weg und auch befahrene Straßen. Das war nicht ganz so, wie ich es mir vorher vorgestellt hatte, war ich doch eigentlich auf Ruhe und überwiegende Einsamkeit aus.
Nichtsdestotrotz war die Landschaft (wie gewohnt in dieser Gegend) schön und ich kam gut voran und es machte mir sogar Spaß. Leider hielt der Spaß nicht durchgängig an, denn irgendwann meinte der Wettergott es nicht mehr so gut mit mir. Es zogen immer mal wieder dunkle Wolken auf, bei denen ich mir aber noch nichts dachte. Irgendwann fing es dann an zu tröpfeln. Ironischerweise lief ich gerade da an einer Bushaltestelle vorbei und überlegte ganz kurz, ob ich abbrechen und nach Hause fahren sollte. Sicherheitshalber. Ich entschied mich aber schnell dagegen. Wenig später regnete es dann richtig los. Glücklicherweise war ich gerade unter einem Häuservorsprung und stellte mich erstmal unter. „Scheiße“, dachte ich, „ich hätte vielleicht doch ’ne Regenjacke oder einen Schirm mitnehmen sollen.“ Ich hatte zwar eine Laufjacke dabei, die auch wind-, aber leider nur wenig wasserabweisend war. Wenigstens war es nicht kalt und so zog ich die Jacke über, wartete ein paar Minuten das Gröbste ab und lief dann unbeirrt weiter.
Ich fühlte mich toll, wie ich so lief und dem Regen trotzte. Mir macht es zum Glück nicht viel aus, wenn ich nass werde und so störte mich das nicht sehr. Erstmal. Jetzt stand der Aufstieg bevor. Davor hatte ich ehrlich gesagt etwas Respekt, da ich gelesen habe, dass es ziemlich steil bergauf geht und ich mag Steigungen laufen überhaupt nicht. Das ist immer so anstrengend. Aber gut, dachte ich, wenn du erstmal am Berg und damit im Wald bist, kann dir wenigstens der Regen nichts mehr anhaben. Sind ja Bäume da. Dachte ich. Mein Handy hatte ich immer griffbereit, weil auch dort die Wanderkarte mitlief und ich ab und zu checkte, ob ich richtig war. Mit einem Navigationspfeil ist das irgendwie einfacher festzustellen als auf einer Karte. Ich lief also weiter, sah einen schmalen Pfad am Wegesrand und dachte mir nix weiter. Als ich dann auf mein Handy schaute, stellte ich fest, dass dieser schmale Pfad der Weg war.
Also drehte ich um und lief mit dezenter Verwunderung den Pfad entlang. Besser gesagt: ich lief mit den Füßen jeweils links und rechts davon, da der Pfad reichlich matschig war. Ich hatte nur meine normalen Laufschuhe an. Wohlwissend, dass ich am Ende ja noch Bus fahren müsste, versuchte ich also, sie so wenig wie möglich dreckig zu machen. Kann ja nicht weit so einen Trampelpfad lang gehen, dachte ich. Ich sollte recht behalten. Was danach kam, war allerdings mitnichten besser. Wieder lief ich also auf (endlich wieder) befestigtem Weg, sah rechts von mir Traktorspuren, die eine Steigung hoch führten und dachte „da kann es ja nicht lang gehen, also muss ich links“. Tja. Ein Blick aufs Handy ließ mich fast schon empört anhalten. Doch. Ich musste sehr wohl dort hoch. Alles in mir sträubte sich. Wieder flackerte der Gedanke auf, einfach umzudrehen. Oder einen anderen Weg einzuschlagen. Wer braucht schon den offiziellen Jakobsweg.
Doch mein Ehrgeiz ließ das nicht zu. Also lief (oder besser watete) ich missmutig und laut schimpfend durch den Schlamm. Bergauf. Im Regen. Stellenweise joggte ich, um auch ja nicht allzu tief einzusinken. Da meine Schuhe nicht viel Profil hatten, musste ich gleichzeitig versuchen, nicht abzurutschen oder umzuknicken. Das gelang mir zum Glück auch. Irgendwann war ich endlich oben.
Da angekommen, machte ich erstmal Rast. Zum ersten Mal nach fast drei Stunden. Ein Baumstumpf kam dafür wie gerufen. Genau in diesem Moment hörte es dann auch auf zu regnen, es bildete sich etwas Hochnebel und die Sonne kam raus. Als wäre nie etwas gewesen.
Nachdem ich ein Brot und einen Apfel gefuttert hatte, ging es auch schon wieder weiter. Immer wieder kamen matschige Passagen mit tiefen Traktorfurchen, in denen das Wasser stand. Ich versuchte, nach Möglichkeit dort zu laufen, wo man nicht so einsank, lief teilweise auf Baumstämmen, die neben dem Weg lagen. Volle Konzentration auf den Moment. Als Abschnitte mit Gras kamen, lief ich durch, um meine Schuhe wieder sauber zu bekommen. Meine Socken waren ohnehin schon seit einiger Zeit durchnässt. Dann kam der wohl schönste Teil. Befestigter Boden, Sonnenschein, Wald. Ich und die pure Natur. Herrlich. Es ging langsam, aber stetig wieder bergab. Auf dem Weg waren große Kieselsteine, die mich ein wenig ärgerten, aber ansonsten konnte ich mich nicht beschweren.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichte ich dann mein Ziel. Obermühle. Ich musste dort leider noch anderthalb Stunden auf den Bus warten. In einem Kaff ohne Empfang. Aber das störte mich eher weniger, hatte ich so Zeit, ein wenig auszuruhen und meine Erlebnisse Revue passieren zu lassen. Als der Bus dann kam, musste ich übrigens noch weitere 3 km nach Hause laufen, da ich sonst hätte umsteigen müssen und darauf hatte ich keine Lust. Also waren es insgesamt sage und schreibe knapp 18 km. Am Ende des Tages war ich ziemlich erledigt, aber glücklich, stolz und sogar ein bisschen brauner als vorher (ich bin eher der Typ Vampir).
Auch wenn ich teilweise mit den Untergründen haderte, war es definitiv ein tolles Erlebnis und ich habe meine Liebe zum Wandern entdeckt, was ich künftig öfter machen werde. Im Nachhinein glaube ich, hätte ich sogar die restlichen 9km bis nach Murrhardt geschafft. Aber irgendewann kann ich ja nochmal die gesamte Etappe laufen. Übrigens hatte ich während der gesamten Zeit weder Musik noch Podcast auf den Ohren, was ich eigentlich sonst immer habe, wenn ich alleine draußen unterwegs bin. Aber die Natur macht so zauberhafte Geräusche, da braucht man das gar nicht. Mir hat es überhaupt nicht gefehlt. Probiert das mal aus.
Mein Freund hat mich am Abend übrigens darüber aufgeklärt, dass Jakobswege Kreuzwege und daher generell etwas beschwerlicher sind als gewöhnliche Wanderwege – jetzt weiß ich das auch.
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